Schon um die Teilhabe behinderter Menschen im Internet zu stärken, ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz eine gute Idee. Das Statistische Bundesamt zählt alleine in Deutschland 7,9 Millionen schwerbehinderter Menschen, die durch Barrierefreiheit zu neuen Kunden der Online-Angebote werden können, oder sich mit ihren Einkäufen dort leichter tun. Gerade deswegen könnte Barrierefreiheit sich auch finanziell lohnen. Menschen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX behindert, „wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn eine derartige Beeinträchtigung zu erwarten ist.“
Doch was heißt das konkret? Ein Rollstuhlfahrer hat doch ganz andere Einschränkungen als ein Rot-grün-Blinder. Und auch eine Mutter mit einem Baby auf dem Arm geht mit dem Internet anders um als ein 20-jähriger Student.
Ähnlich wie damals bei der DSGVO gibt es wenig konkrete rechtliche Regelungen und vieles wird sicher noch gerichtlich geklärt werden in den nächsten Jahren. Die drohenden Geldstrafen sind natürlich unangenehm, aber gar nicht mal so hoch. Die zuständigen Behörden können aber auch die nicht gesetzeskonformen Internetseite durchaus schließen lassen - und dieses Risiko sollten man sich wirklich gut überlegen.
Wer ist betroffen?
Die öffentliche Hand ist schon seit einer Weile verpflichtet, ihre Internet-Präsenzen barrierefrei zu gestalten. Das Barrierefreiheitsgesetzt verpflichtet nun Anbieter
- mit 10 oder mehr Mitarbeitern
- mit mehr als 2 Millionen Jahresumsatz
- die sich an Verbraucher wenden
Für konkrete Einzelfragen wenden Sie sich bitte an einen Rechtsanwalt, z.B. "Wir wenden uns eigentlich nur an FIrmenkunden, manchmal kaufen aber auch Privatkunden. Sind wir betroffen?" Alleine hier wird viel rechtliche Klärung stattfinden.
Was ist zu tun?
Oder Sie sagen sich, dass ist eine gute Idee für die behinderten Menschen und eine Chance für uns auf mehr Umsatz - und steigen ein.
Generell muss der komplette Bestellprozess vom ersten Kontakt bis zum Abschluss des Vertrages barrierefrei sein. Der erste Kontakt findet heute meistens auf Social Media statt. Also achten Sie schon hier auf Barrierefreiheit, soweit das die Anbieter überhaupt zulassen. Auch hier werden sicher neue Angebote kommen. Der nächste Schritt klingt einfach, kann es aber in sich haben: der Klick auf einen Link zu Ihrer Homepage. Was soll da passieren? Gerade Shops haben meistens auf der ersten Seite gleich einen Cookie-Banner. Doch ist dieser auch nur per Tastatur bedienbar? Auch hier werden sicher in den nächsten Monaten neue Versionen veröffentlicht. Updates lohnen sich also hier ganz besonders. Auch Info-Seiten zu den Produkten, Leistungen oder Terminen müssen barrierefrei sein, ebenso wie die Bestellstrecke bis zum beühmten "Jetzt kostenpflichtig kaufen!"-Button.
Rechtlich ist für das "Danach" nichts zwingend vorgeschrieben, aber sollten Sie eine nachgelagerte Zahlungsmöglichkeit bieten, eine Bestellverwaltung, ein Drucken der gekauften Tickets oder ähnliches, ist es nur sinnvoll, auch diese Seiten barrierefrei zu gestalten, um die Kundenzufriedenheit hier nicht zu enttäuschen. Und wenn der Rest der Seiten barrierefrei ist, sollte Ihnen das hier auch leicht gelingen.
Im Konkreten: Die "einfachste" Richtlinie ist, Ihren Internetauftritt gemäß Web Content Accessibility Guidelines 2.1 (WCAG 2.1) zu gestalten, bzw. umzugestalten. Auch die verschiedenen Arten von Behinderungen werden hier aufgezählt. Ebenso das generell Vorgehen, z.B. "Alle Informationen, die sehend erfasst werden können, auch hörbar machen. Alle Informationen, die hörend erfasst werden können, auch sichtbar machen." Das heißt zum Beispiel, dass von Ihnen präsentierte Videos auch gut lesbare Untertitel haben sollten. Nun sind behinderte Menschen ja nicht dumm und wissen sich auch jetzt schon zu helfen: ein Screenreader kann sehbehinderten Menschen leicht einen Internetseite vorlesen. Dieser kann aber keine Bilder "erkennen" und beschreiben. Bilder sollten daher Alternativtexte haben, um zu signalisieren, "dieses Bild hier dient nur der grafischen Schönheit" oder "das Bild zeigt einen Kompass, der nach Norden zeigt". So wird das Verständnis der Seite gerade mit einem Tool wie dem Screenreader leichter verständlich.
Der Prozess
Barrierefreiheit ist nicht eine einmalige Anstrengung und dann ist alles für immer in Ordnung.
Natürlich braucht es eine gute Vorbereitung: das CMS, die Programmierer der Seite / die Agentur müssen Möglichkeiten schaffen, die Webseite barrierefrei zu gestalten. Bildreakteure sollten Alternativ- und Meta-Daten gleich mitliefern und auch Textredakteure müssen natürlich wissen, was sie dauerhaft beachten müssen. Und auch Kontrollen dazu sollte in regelmäßigen Abständen stattfinden. Daher sollten Sie Ihre Prozesse zum Erstellen neuer Inhalte unbdeingt anpassen.